AKBP – Ist die „dritte Säule“ unserer Außenpolitik verzichtbar?
Wenn wir uns angesichts der weltweiten Entwicklungen diese wichtige Frage stellen, dann ist die Antwort keineswegs klar. Statt eines überzeugten „Nein“ als Antwort, erleben wir zunehmend Zweifel und Unsicherheit. Unsicherheit über das, was gerade geschieht. Erstmals seit 2004 verzeichnet der jährlich erhobene Transformationsindex (BTI) der Bertelsmann Stiftung mehr autokratische als demokratische Staaten. Von 137 untersuchten Ländern gelten nur noch 67 als Demokratien – die Zahl der Autokratien steigt weltweit auf 70.

Der Autor, Thomas Hacker MdB, ist Obmann im Ausschuss für Kultur und Medien sowie im Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union sowie medienpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.
Insbesondere Russland und China stellen sich seit Jahren in einer strategischen Allianz demonstrativ gegen die freie westliche Welt und investieren gezielt in Medien, Kultur und Bildung, um global ihre freiheitsfeindlichen Weltanschauungen zu verbreiten. Die US-Midterms zeigen eine völlig neue Spirale gesellschaftlicher Radikalisierung, Kommentatoren sprechen nach der Präsidentschaftswahl 2020 bereits von einer erneuten „Schicksalswahl“. Unlängst kommentierte Josep Borell, der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, dass der Westen die „globale Schlacht der Narrative“ bereits verloren hätte. Auch Bundespräsident Steinmeier mahnte in seiner jüngsten Rede an die Nation, dass unsere Demokratie auch kritische Infrastruktur sei. Für mich ist Demokratie immer die Zukunft! Gerade, weil sie die Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft nicht in einfachen Antworten oder der Rückkehr in vergangene Zeiten sucht. Dem Trend der Autokratisierung widersetzen sich insbesondere starke und aufgeklärte Zivilgesellschaft – auch das attestiert der Transformationsindex.
Gerade weil die Demokratie starke Zivilgesellschaften braucht, ist die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik als sogenannte „dritte Säule“ der deutschen Außenpolitik das entscheidende Instrumentarium, um ein realistisches Bild von Deutschland und unsere europäischen Werte in die Welt zu tragen. Seit der 20. Legislaturperiode vertrete ich die Freien Demokraten im Unterausschuss für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, setzte mich dort für die Stärkung dieses wichtigen Politikfeldes ein, das auch im gemeinsamen Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition einen zentralen Stellenwert einnimmt.
Fundament der AKBP sind dabei renommierte Mittlerorganisationen wie das Goethe-Institut, die Alexander-von-Humboldt-Stiftung, der Deutsche Akademische Austauschdienst oder auch die mehr als 140 Deutschen Schulen im Ausland. Sie verfügen über Jahrzehnte lang gewachsene Netzwerke, die Menschen über Sprache, Kultur und Wissenschaft miteinander verbinden und auch in schwierigen Zeiten sich bewähren. Wo Wissenschaftlern, Künstler oder Journalisten dennoch Verfolgung droht, sorgen Schutzprogramme wie die Philipp-Schwarz-Initiative dafür, dass diese Stimmen in ihren Heimatländern und der Diaspora weiter Gehör finden. Die Umwälzungen im Zuge des russischen Angriffskrieges in der Ukraine zeigen, wie wichtig diese Netzwerke sind und warum sich jede Investition hier lohnt.
Der Mehrwert der AKBP geht dabei weit über die Vermittlung von Werten und Völkerverständigung hinaus. Insbesondere für unsere Wirtschaft ist das Politikfeld ein wichtiger Faktor. Als exportorientierte Industrienation profitieren wir von einem positiven Bild unseres Landes, auch als Investitions- und Innovationsstandort. Deutschkurse an den weltweit über 158 Goethe-Instituten, an Deutschen Auslandschulen sowie der Austausch von Studenten und Wissenschaftlern durch den DAAD machen Deutschland als Arbeitsort attraktiv und sind somit ein wichtiger Beitrag zur Bewältigung des Fachkräftemangels. Im Rahmen der aktuellen Haushaltsberatungen für 2023 diskutieren wir natürlich auch, wie viel AKBP wir uns in diesen Zeiten leisten können und wollen. Auf sie verzichten können und sollten wir definitiv nicht. Gerade in diesen Zeiten liegt es in unserer Hand, dem gefährlichen Trend der Autokratisierung mit all seinen Konsequenzen etwas entgegenzusetzen.
Von einem positiven Effekt der AKBP, der Bewältigung von Migrationsströmen, konnte ich mich vor zwei Wochen bei einer Delegationsreise des Unterschusses AKBP nach Ägypten persönlich eindrucksvoll überzeugen. Das Land am Mittelmeer ist als Herkunfts-, Transit- und Zielland im Zentrum regionaler Migrationsprozesse in Nordafrika und im Nahen Osten. Für viele Menschen, die nach Deutschland migrieren wollen, ist nicht etwa ein Konsulat, sondern das Goethe-Institut vor Ort der erste Anlaufpunkt, um ein realistisches Bild über die Migration in unser Land zu erhalten und überzogene und gar falsche Erwartungen an das Leben bei uns auszuräumen. Klar wurde mir dabei auch, welchen Wert interkultureller Dialog immer für die jeweiligen Zivilgesellschaften hat und warum künstlerische Impulse und wissenschaftlicher Austausch die besten Mittel sind, damit Demokratie immer eine Zukunft haben wird.