Faire Chancen für alle

Beschlossen auf dem 78. Landesparteitag (16./17. März 2019) in Erlangen

Wir Freie Demokraten stehen für ein Weltbild, das eine optimistische, offene und zukunftsweisende Politik verkörpert. Jeder und Jedem sollen die gleichen Möglichkeiten und Chancen offenstehen, in der Art zu leben, in der Wahl einer Ausbildung, eines Berufs, in der Politik oder eines Ehrenamtes. Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung, Chancengerechtigkeit und echte Wahlfreiheiten sind die Ideale, die wir anstreben. Die Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten fundamental gewandelt, mit ihr auch unser Frauenbild. Diese Entwicklung hin zu fairen Chancen für alle, begrüßen wir Freie Demokraten Bayern, denn sie entspricht unseren Vorstellungen von einem selbstbestimmten und freien Leben. Als Partei und als Organisation möchten wir diesen Wandel weiter unterstützen, vorantreiben und vor allem in der FDP Bayern umsetzen und leben. Die Freien Demokraten sind historisch eine Partei, die große Frauen der bayerischen und Bundespolitik hervorgebracht hat. Daran möchten wir anknüpfen. Trotz vieler Fortschritte können wir in unserem Bemühen, allen die gleichen Chancen zu ermöglichen, besser werden. Die Art und Weise, wie Partei- oder Vereinsarbeit zumeist gestaltet ist – ortsgebunden, zu ungünstigen Zeiten und im Hinterzimmer – stellt oft vor allem Familien und insbesondere Mütter vor Probleme. Ob Gesellschaft, Wirtschaft oder Politik – Frauen sind in Führungspositionen unterrepräsentiert. Immer noch haben tradierte Rollenbilder und Stereotype einen nicht zu unterschätzenden Einfluss. Wir Freien Demokraten müssen unserem eigenen liberalen Ideal einer echten Chancengerechtigkeit gerecht werden. Um dies zu erreichen, müssen wir vorgefertigte Ideen von Geschlechterrollen hinterfragen und aufbrechen. Das ist ein Prozess, der von Frauen und Männern gleichermaßen getragen werden muss. Wir wollen die Diskrepanz zwischen formal vorhandenen Rechten und gelebter Realität überwinden. Eine echte Chancengleichheit von Frauen und Männern entsteht da, wo die Kultur des Zusammenarbeitens und -lebens aktiv und bewusst gefördert, vorangetrieben und vorgelebt wird und Familie kein Nachteil ist. Um das zu erreichen, muss daher der gesellschaftliche Prozess weitergeführt werden. Als Teil dieser Gesellschaft, möchte die FDP Bayern eine der treibenden Kräfte für die tatsächliche Chancenfairness zwischen Mann und Frau sein. Doch nicht nur die Rolle der Frau und des Mannes in der Gesellschaft hat sich gewandelt, auch die Art und Weise wie wir leben, arbeiten, Ziele erreichen wollen und das Miteinander organisieren. Längst müssen wir für Treffen und Meetings nicht mehr an einem Ort sein: per Telefon- oder Videokonferenz lassen sich genauso Arbeitstreffen, Sitzungen und Abstimmungen durchführen. Ob Home Office oder mobiles Arbeiten: Konzepte, für die wir uns politisch stark machen und die wir gesellschaftlich fordern, müssen wir uns auch für den Landesverband Bayern und die Parteiarbeit zunutze machen. So können wir mehr engagierten und interessierten Mitgliedern Möglichkeiten bieten, auch von zu Hause aus – ohne lange Anfahrtswege, ohne Babysitter, ohne große Hürden – am Parteileben teilzunehmen und aktiv mitzuwirken. Wir leben und arbeiten mobiler und digitaler: Parteimitgliedschaft und -arbeit muss es auch werden. Das macht uns nicht nur für Frauen, sondern auch für junge Menschen, für Pendler, für Gründer, aber auch für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, attraktiver. Es ist Teil unseres Anspruchs, unsere politischen Forderungen für die Gesellschaft auch und vor allem in der eigenen Partei vorzuleben. Daher sind wir gefordert, die Auseinandersetzung mit der eigenen Partei, den eigenen Strukturen und der parteiinternen Kultur aktiv zu betreiben und müssen den Mut aufbringen, neue Wege zu gehen. Faire Chancen für alle und ein zukunftsorientiertes Talentmanagement in der FDP Bayern verlangen von uns allen Einsatz. Der Beschluss des Bundespräsidiums der FDP vom 16. April 2018, eine Ad-hoc Arbeitsgruppe Diversity Management einzusetzen, war der erste Schritt. Der Zwischenbericht der Ad-Hoc Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass durch Vielfalt ein größerer Erfolg, eine höhere Agilität und eine gesteigerte Innovation erreicht werden können. Aber diese Vielfalt kann nicht verordnet werden, sondern muss gelebt werden. Diese Kultur muss von den Führungsgremien der Partei angestoßen werden und braucht sichtbare Vorbilder. Um für neue, jüngere und weibliche Mitglieder attraktiv zu sein, müssen wir handeln. Wir wollen und werden in der FDP Bayern und in den Untergliederungen die Erkenntnisse, die wir gewonnen haben, mit unserem liberalen Ideal füllen und leben. Alle Mandatsträgerinnen und Mandatsträger sowie Personen in Führungspositionen kommt dabei eine besondere Vorbildrolle und Verantwortung zu. Die FDP Bayern hat einen hervorragenden Zuwachs von 52% an neuen Mitglieder in den letzten beiden Jahren, darunter mit 18,2% nur wenig Frauen. Wir müssen reagieren und unser wertvolles Potential weiblicher Politik- und Führungsqualitäten heben. In der Wirtschaft setzt man bewusst auf gemischte Teams, da so andere Denk- und Problemlösungsansätze stärker aufgegriffen werden und diese besser und erfolgreicher zusammenarbeiten. Wollen wir dauerhaft Erfolg haben, müssen wir von allen Geschlechtern gleichermaßen geschätzt, gewählt und mitgestaltet werden. Um das, was wir in der Gesellschaft fordern und was unseren liberalen Idealen entspricht, zu erreichen, werden wir im Landesverband Bayern ein Drei-Säulen-Modell einführen. Unser zukünftiger Erfolg und die gelebte Chancenfairness in unserer Partei ruht auf den folgenden drei Säulen: Sichtbarkeit, Neumitglieder und Parteikultur.

Sichtbarkeit

Wir wollen die Sichtbarkeit von Frauen in der Partei, aber auch in der Öffentlichkeit erhöhen. Für neue Mitglieder ist es attraktiv, wenn sich in den Strukturen einer Partei ein modernes, zukunftsgerichtetes Rollenbild widerspiegelt, das Chancen für Frauen und Männer eröffnet.

Neumitglieder

Unser Ziel ist es, die Anzahl der Mitglieder und den Anteil an weiblichen Mitgliedern deut-lich zu steigern. Erreichen wollen wir dies durch mehr Empathie in Sprache und Öffentlichkeitsarbeit, einer Stärkung der kommunalen Ebene, gezieltem Netzwerken und Talentförderung nach außen und innen sowie neuen Formaten bei Veranstaltungen. Auch Themenfelder, die in der Öffentlichkeit nicht automatisch der FDP zugeschrieben werden, wie eine moderne Familienpolitik oder eine zukunftsweisende Umweltpolitik, spielen hierbei eine wichtige Rolle.

Parteikultur

Wir leben eine Kultur des respektvollen Miteinanders, in der sich alle auf Augenhöhe begegnen, unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft, Behinderung, Religion oder sexueller Orientierung. Wir arbeiten an einer noch besseren Diskussionskultur, die kein Mitglied hemmt und alle einbindet. Freiheit heißt für uns Freie Demokraten, die Freiheit der anderen zu achten. Doch manchmal sind sich Personen nicht bewusst, dass sie sich in einer Art und Weise äußern, die andere diskriminiert und verletzt. Wir Freie Demokraten lassen so etwas nicht stehen, klären das Verhalten auf und korrigieren unser Fehlverhalten. Um unsere Ideale und unser Ziel der fairen Chancen für alle zu erreichen, verpflichten wir uns zu folgenden Maßnahmen:

  • Unsere Parteikultur wird durch eine Null-Toleranz-Politik bei Sprache oder Verhalten, die Menschen wegen ihres Geschlechts diskriminiert, geprägt. Freie Demokraten dulden ein solches Verhalten nicht. Bei Veranstaltungen ist das Hausrecht konsequent anzuwenden.
  • Zur nachhaltigen Durchsetzung der Compliance Vorgaben organisiert der Landesverband Bayern in regelmäßigen Abständen in allen Regierungsbezirken Compliance Seminare zu Schulungszwecken.
  • Wir benennen umgehend auf allen Ebenen, mindestens aber auf Landes- und Bezirksebene, weibliche und männliche Vertrauenspersonen, an die sich jedes Mitglied, das aus welchem Grund auch immer, Probleme innerhalb der Partei hat und/oder sich nicht wohl fühlt, wenden kann.
  • Genauso, wie wir uns für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einsetzen, wollen wir das auch in der Parteiarbeit erreichen. Wir evalulieren unsere Gremienarbeit auf Bezirks- und Landesebene und verbessern Abläufe und Organisation mit dem Ziel, Parteimitglieder mit Familie bzw. (kleinen) Kindern vermehrt die Mitarbeit zu ermöglichen. Wir wollen Videokonferenzsysteme sowie, Streaming, Kinderbetreuung bei Veranstaltungen auf Landes- und Bezirksebene und geben uns Regeln für ein gutes Sitzungsmanagement.
  • Wir setzen uns das Ziel die Anzahl der Funktionsträgerinnen auf Bezirks- und Landesebene auf mindestens ein Drittel innerhalb der nächsten zwei Jahre zu erhöhen. Die FDP Bayern möchte so die Sichtbarkeit von Frauen in Führungspositionen innerhalb der Partei und auch in der Öffentlichkeit steigern.
  • Unser Ziel ist es, mindestens ein Drittel der Listenplätze mit Frauen zu besetzen. Erreichen wollen wir dies zum Beispiel durch Talentmanagement in Partei und unserem liberalen Umfeld, eine gezielte Ansprache und Präsenz von Frauen und Netzwerken innerhalb der Partei.

Zu Bundestags-, Landtags- und Bezirkstagswahlen wollen wir künftig die ersten beiden Listenplätze mit einem Mann und einer Frau oder einer Frau und einem Mann besetzen. Wir empfehlen dieses Vorgehen auch für die Listen der Kommunalwahl. Dadurch schaffen wir mehr Ausgewogenheit bei den Mandaten und dokumentieren auch gegenüber den Wählern, dass Frauen und Männer bei uns gleichwertig repräsentiert sind. Ebenso wollen wir bis 2023 1000 neue weibliche Mitglieder gewinnen. Wir erarbeiten dazu mit allen Kreis- und Bezirksverbänden Zielvereinbarungen, deren Erreichen honoriert wird. Dieses bewusst ambitioniert gesteckte Ziel kann die FDP Bayern nur erreichen, wenn sich alle Parteigliederungen, Funktions- und Mandatsträger & Mandatsträgerinnen das 3-Säulen-Modell zu eigen machen und es vorleben. Bis 2023 wollen wir der Landesverband innerhalb der FDP mit dem höchsten Anteil an weiblichen Mitgliedern sein. Für diese Ziele müssen wir alle hart arbeiten und unser Engagement noch weiter erhöhen. Direkte und gezielte Ansprache ist dabei ein wesentlicher Aspekt. Die einzelnen Untergliederungen werden mit einem System von Unterstützung inhaltlicher Art (z.B. durch Themenpapiere, Marketingkampagnen, Leadership) Schulungen) und einem Anreizsystem durch extra Förderungen durch den Landesverband bei dieser Aufgabe unterstützt. Unser Ziel ist, in jedem Kreis- und Bezirksverband und dem Landesverband eine nach Möglichkeit weibliche Beauftragte zur Förderung von Frauen in der Politik zu benennen, der oder die sich mit den weiblichen Mitgliedern Strategien zur besseren Einbindung überlegt, die besonderen Möglichkeiten in der Partei für Frauen aufzeigt und bei den ersten politischen Schritten berät. Wir fordern die Mandatsträger und Mandatsträgerinnen der FDP Bayern auf, ein Mentoringprogramm für Frauen aufzusetzen, in dem Mandatsträger für einen bestimmten Zeit-raum als Mentor fungieren und zum Beispiel zu Veranstaltungen mitnehmen, Strukturen und Hintergründe erklären und so weibliche Mitglieder auf eine Kandidatur für ein Mandat oder eine Funktion vorbereiten. Wir setzen unsere Neumitgliederseminare auf Landesebene fort, in denen Abläufe, Verfahrensweisen, Parteitage, Rederechte, Antragsformulierung, Satzung und ähnliches er-läutert werden. So kann neuen Mitgliedern der Einstieg in die Struktur der Partei und des Landesverbandes Bayern erleichtert werden und sie können sich vernetzen. Mit dem üblichen Willkommenspaketen für Neumitglieder erhalten weibliche Neumitglieder ein besonderes Infopaket, in denen sie darauf hingewiesen werden, wie sie ihre Belange einbringen können, welche Vernetzungsmöglichkeiten sie haben (z.B. Liberale Frauen), wer die Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen sind, dass ihre Mitarbeit in den Parteigremien (z.B. Kreisvorständen) willkommen ist und die Bereitschaft von Frauen, Delegiertenmandate zu übernehmen, für eine ausgewogene Meinungsbildung zur Programmatik wichtig ist. Wir starten diesen gesamten Prozess im Landesverband Bayern und den Untergliederungen ab sofort. Die Mitglieder in den Verbänden sollen für den Kulturwandel und die damit verbundenen Hintergründe und Maßnahmen sensibilisiert werden. Wir kontrollieren und evaluieren regelmäßig den Erfolg unserer Drei-Säulen-Strategie und präsentieren dem Landesparteitag einmal im Jahr die Ergebnisse und passen bei Bedarf unsere Strategie an.