Beschluss des Landesvorstandes der FDP Bayern vom 14. Juli 2019
Bayern ist ein wunderschönes Land und das wollen wir für unsere Kinder und Kindeskinder behalten. Es ist gut, dass sich viele Kommunen schon länger ernsthaft um Klimaschutz kümmern. Dabei haben einige Städte und Gemeinden schon viele gute und wirksame Maßnahmen entwickelt. Diese gilt es zu nutzen und zu verbreiten. Denn das Vorankommen im Klimaschutz ist wichtig und unumgänglich. Wir tragen insbesondere im Hinblick auf nachfolgende Generationen große Verantwortung. Dabei müssen wir ehrlich sein und akzeptieren, dass der Schutz unseres Klimas nicht kostenlos und ohne Aufwand funktioniert und müssen dies auch den Bürgerinnen und Bürgern vermitteln. Das gelingt, wenn Klimaschutzmaßnahmen situationsangepasst umgesetzt werden und auf Sozialverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und insbesondere auf Effektivität geachtet wird. Das Instrument des Klimanotstands ist uns dabei zu eindimensional. Wir haben beschränkte Mittel finanzieller und technischer Art, deshalb müssen wir konsequent effizient vorgehen und Prioritäten setzen. Doch am wichtigsten ist es, zügig und vor allem gemeinsam mit konkreten Maßnahmen voranzukommen.
Besser: tatsächlich wirksamer Klimaschutz in den Kommunen
Wir haben als Freie Demokraten auf unserem Parteitag im April ein sehr ambitioniertes Klimaschutzkonzept beschlossen (
s. Beschluss Bundesparteitag April 2019). Wir bekennen uns ausdrücklich zu den Zielen des Pariser Abkommens und haben Rahmenbedingungen formuliert, wie wir in Deutschland und Europa unseren Beitrag dazu leisten können, diese Ziele zu erreichen.
Dazu befürworten wir auf kommunaler Ebene durchdachte Lösungen, die an die Situation vor Ort angepasst sind. Kommunen können auf vielfältige Weise dazu beitragen, in eigener Entscheidungskompetenz Klimaschutzmaßnahmen zu befördern. In Bebauungsplänen etwa werden vielerorts zu Recht schon längst Umwelt- und Klimaüberlegungen zentral einbezogen. Außerdem können Konzepte zur Stadtbegrünung, zur Veränderung der Wärme-Infrastruktur (z.B. Geothermie, KWK, etc.) oder auch zur dezentralen Energieversorgung Möglichkeiten bieten, Städte und Gemeinden klimafreundlicher zu gestalten. Notwendig sind auch umfassende Verkehrskonzepte, die durch eine aufeinander abgestimmte Planung von ÖPNV und Individualverkehr eine geringere Verkehrsbelastung insbesondere in Innenstädten ermöglichen, ohne die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger zu beeinträchtigen. Attraktive Fahrradinfrastrukturen, Digitalisierung und Sharing Economy können dazu ebenso einen Beitrag leisten wie dynamische Mobility-Pricing-Modelle und eine höhere ÖPNV-Taktung. Von großer Bedeutung sind auch verbesserte kommunale Rahmenbedingungen für ortsansässige Unternehmen und Dienstleister, um Anreize für eine klimafreundliche Produktion, Investition und Organisation zu schaffen. Dazu zählt auch die diskriminierungsfreie Genehmigung von Anlagen zur emissionsarmen Energieerzeugung.
Außerdem ist es wichtig, in das Stadtklima zu investieren, um als Kommune lebenswert zu bleiben. In der Stadtplanung müssen Hitzebelastungen, Starkregenfälle, Hochwasser sowie die Verringerung des sommerlichen Wasserdargebots bei der Stadtentwicklung berücksichtigt und davon ausgehend Maßnahmen entwickeln werden. Das können beispielsweise die Ausweisung und Durchsetzung von Bauverboten in Überschwemmungsgebieten bei innerstädtischen Bach- und Flussläufen sein, Fassaden- und Dachbegrünungen zur Reduktion der Wärmeabstrahlung in Innenstadtlagen oder der Ausbau kommunaler Wasserreservoire. Maßnahmen, die auch bei Nichteintreten bedrohlicher Situationen zusätzlich die Lebensqualität in den Kommunen verbessern und die Standortattraktivität der Gemeinde erhöhen oder kosteneffizient sind, müssen ganz oben auf der Prioritätenliste stehen. So ist ein verbesserter Überflutungsschutz bei Starkregen genauso relevant wie Maßnahmenpakete für den Umgang mit Trockenperioden oder ein effektiver sommerlicher Wärmeschutz auf öffentlichen Plätzen und in Gebäuden. Gute Konzepte berücksichtigen Frischluftschneisen aus dem Umland, sie schaffen und erhalten Grünflächen wie auch Wasserflächen als Kälteinseln, öffentliche Aufenthaltsräume in Hitzeperioden und entsiegelte Auffangflächen für Regenwasser („grüne und blaue Stadt“, was auch dem Erhalt und der Bereicherung der Biodiversität dient). Vor allem Maßnahmen aus dem lokalen Umweltschutz wie etwa gute Vegetationskonzepte sind hier gefragt und werden in zahlreichen Kommunen bereits umgesetzt.
Kommunaler Klimaschutz sollte dabei nicht an den Interessen der ansässigen Bürgerinnen und Bürger vorbei, sondern unter deren intensiver Beteiligung geplant und praktiziert werden. Städte und Gemeinden sind hier insbesondere auch auf selbstverantwortliches und tatkräftiges bürgerschaftliches Engagement angewiesen. Urban Gardening-Projekte in einigen Großstädten sind dafür nur ein Beispiel. Wir trauen unseren Städten und Gemeinden zu, selbstständig zu entscheiden, welche Instrumente auf kommunaler Ebene jeweils geeignet sind, um ihren Beitrag zum Klima- und Umweltschutz umzusetzen. Sie benötigen dafür keinen unflexiblen Klimanotstand, der eine Prioritätensetzung und die qualitative Abwägung einzelner Entscheidungen unmöglich macht und sie somit in ihrer Handlungsfreiheit einschränkt. Dafür aufgewendete Zeit und Geldmittel können und müssen in effizienten, nicht-symbolpolitischen Klima- und Umweltschutz unter Berücksichtigung der individuellen kommunalen Lebensumstände investiert werden. Damit können unsere Kommunen ihre ehrgeizigen Pläne zur Klimaneutralität zeitnah realisieren. Sie haben dafür unsere vollständige Unterstützung.
Teuer, aber wenig Wirksamkeit – was zu vermeiden ist
Wir wollen kommunalen Klimaschutz mit Augenmaß für Wechselwirkungen mit der bestehenden Klimaschutzpolitik in Angriff nehmen. Sonst besteht die Gefahr von Wirkungsverlusten und Ressourcenverschwendung. Wichtig ist insgesamt die allgemeine Akzeptanz in der Bevölkerung für Maßnahmen des Klimaschutzes. Dafür brauchen wir ein konkretes Gesamtkonzept, das Klimaschutzmaßnahmen sinnvoll mit vorhandenen sozialen und gesellschaftlichen Strukturen verbindet. Der unbedingte Vorrang von Klimaschutzmaßnahmen im sog. Klimanotstand auch vor sozialen, haushalterischen und situationsbezogenen Überlegungen ist da nicht hilfreich. Niemand möchte die Kirchweihfeste, die Festwochen oder das Oktoberfest für einen eigentlich nur symbolisch gemeinten Klimanotstand aufgeben. Politik und Verwaltung lähmen sich in ihrem Handeln, wenn ausnahmslos jede Entscheidung ohne Rücksichtnahme auf Tragweiten, tatsächliche Effizienz und individuelle Umstände aufwändig auf ihre Klima-Wirkung hin untersucht werden muss.
Außerdem halten wir die Begrifflichkeit Klimanotstand für grundsätzlich schwierig. Der Notstand ist als politischer Begriff in Deutschland insbesondere mit den Notstandsgesetzen verbunden, durch die der Regierung in besonderen Situationen besondere Machtbefugnisse übertragen werden – so werden beispielsweise demokratische Entscheidungsprozesse „vereinfacht“ (d.h., sie können übergangen werden), außerdem können die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger zeitweilig eingeschränkt werden. Wir sollten den Begriff auch nicht symbolisch verwenden. Notstand bedeutet eine unüberschaubare Lage durch z.B. Krieg, Aufruhr oder ähnlichem und hat die Verkürzung des Rechtsschutzes zur Folge - wenn der Notstand oder Ausnahmezustand verhängt wird. Gerade im Bereich des Klimaschutzes sollte aber nicht auf die Bindung an Gesetz und Recht verzichtet werden.
Wir unterstützen aber lokale Klimaschutzpläne und schlagen den Initiatoren vor statt den "Notstand" auszurufen die Maßnahmen in "lokale Klimaoffensiven" zusammenzufassen.