Urheberrecht und Neue Medien liberal gestaltet
64. Ordentlicher Landesparteitag
10.03.2012 in Lindau
Beschluss zu Antrag 23 - vorbehaltlich redaktioneller Bearbeitung
Urheberrecht und Neue Medien liberal gestaltet
Wir sind das Original: Die FDP steht für eine zukunftsorientierte Netzpolitik, die den Schutz
der Bürgerrechte und der Freiheit im Internet als ihre zentrale Aufgabe sieht. Deshalb
wurde auf Drängen der FDP das Prinzip „Löschen statt sperren“ durchgesetzt und eine
staatliche Zensurinfrastruktur verhindert. Ebenso wurde allein durch den Widerstand der
FDP eine Wiedereinführung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung gestoppt und das
„Quick-Freeze“-Modell vorgelegt, welches nun in Europa die Grundlage für eine
Anpassung der restriktiven EU-Richtlinie werden muss.
Des Weiteren sieht die FDP Bayern grundlegenden Veränderungsbedarf bei
urheberrechtlichen Regelungen. Um hierzu den nötigen breiten gesellschaftlichen Diskurs
zu ermöglichen, wurde auf Anweisung der liberalen Bundesjustizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, die Unterzeichnung des ACTA-Abkommens gestoppt.
Es wird immer stärker kritisiert, dass der durch bisherige Urheberrechtsregeln festgelegte
Interessensausgleich von Urhebern, Rechteinhabern und Nutzern angesichts der
technischen Entwicklung des Internetzeitalters den gegenwärtigen Anforderungen nicht
mehr gerecht wird. Inzwischen ist ein praktisch kosten- und aufwandsloses Kopieren durch
den Nutzer möglich. Neue Trägermodelle haben sich entwickelt und neue
Vermarktungsmodelle haben Einzug gehalten.
Das geltende Urheberrecht stellt den normalen Nutzer vor teilweise schwere Situationen.
Hunderttausende Abmahnungen aus Urheberechtsgründen jährlich zeigen dies deutlich.
Vor diesem Hintergrund muss der Schutz immaterieller Güter überdacht und an die
Medienrealität angepasst werden. Dafür gibt die FDP hiermit den Startschuss.
Im bisher geltenden Urheberrecht stehen bei Verstößen die Schadenersatzansprüche der
Rechteinhaber in keinem Verhältnis zum im Einzelfall tatsächlich entstandenen
wirtschaftlichen Schaden. Daher setzt sich die FDP Bayern für eine Reformierung der
rechtlichen Bestimmungen ein, weg von einem starren Verfahren hin zu mehr Freiraum im
digitalen Diskurs. Vorbild soll dafür das Fair-Use-Copyright-System sein, dass sich in einer
Anpassung der Schrankenbestimmungen des deutschen Urheberrechts wieder finden soll.
Dazu gehört für die FDP Bayern vor allem eine Öffnung der bestehenden Tatbestände,
die die Verwendung urheberrechtlich geschützter Materialien aus kulturellen, politischen
und edukativen Gründen stärker als bisher gestattet, solange kein direkter finanzieller
Vorteil mit der Nutzung verbunden ist und sie grundsätzlich der Allgemeinheit zur
Verfügung stehen.
Die FDP Bayern bekennt sich dabei deutlich zu den Vorgaben des europäischen
Gesetzgebers: In der Europäischen Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des
Urheberrechtes und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft sind
Ausnahmetatbestände vorgesehen, die deutlich mehr Flexibilität bieten als die deutschen
Regelungen. Indem Deutschland sich diesen Vorgaben öffnet, schaffen wir mehr
urheberrechtlichen Freiraum, einen gerechteren Ausgleich zwischen Urhebern und
Nutzern und vereinheitlichen den Schutzstandard für geistiges Eigentum in Europa.
Als vollkommen unverhältnismäßig sieht die FDP Bayern das unter anderem in
Frankreich praktizierte so genannte „Three-Strikes-Out“-Modell an, bei dem Personen
nach dreimaligem Urheberrechtsverstoß im Internet der Internetzugang ohne Warnung
gesperrt wird. Wir fordern unsere Mandatsträger auf, bei diesem Thema im Europäischen
Parlament und im Ministerrat gegen einen drastischen europaweiten Bürgerrechtseingriff
64. Ordentlicher Landesparteitag
10.03.2012 in Lindau
Beschluss zu Antrag 23 - vorbehaltlich redaktioneller Bearbeitung
zu votieren. Das Internet ist ein zumindest sozial überlebenswichtiges Medium, dass
einem nicht wegen kleinerer Verstöße vorenthalten werden darf!
Aktuell plant die Bundesregierung ein sogenanntes "Leistungsschutzrecht“ für Verleger,
welches für die Nutzung von automatisiert erstellten " Snippets“, also verlinkte
Überschriften samt kurzem Textanriss, eine Zahlungsverpflichtung an eine
Verwertungsgesellschaft einführen soll. Dieses Vorhaben lehnt die FDP Bayern vehement
ab, da dieser nationale Alleingang Kernelemente des Internets einschränkt und der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs widerspricht.
Provider dürfen nicht zu „Hilfssheriffs“ der Rechteinhaber gemacht werden. Die FDP
Bayern begrüßt die jüngste Rechtsprechung des EuGH, nach der sowohl Zugangsprovider
als auch Anbieter sozialer Netzwerke nicht zu flächendeckenden Vorkontrollen im Netz
gezwungen werden dürfen.
Eine solche Kontrollpflicht ist nicht von rechtsstaatlichen Befugnissen gedeckt. Sie
unterliegt auch keiner rechtsstaatlichen Kontrolle. Aufgrund dieser Folgen ist die Idee einer
umfassenden Providerhaftung - schon allein wegen der damit verbundenen
Missbrauchsgefahr - abzulehnen.
Instrumente mit sehr weitgehenden Bürgerrechtseingriffen, wie etwa die
Vorratsdatenspeicherung, sind keine verhältnismäßigen Maßnahmen zur Durchsetzung
von Urheberrechtsansprüchen. Eine Anwendung muss daher ausgeschlossen werden.
Das Internet hat viele neue Wege zur Verbreitung von kulturellen Werken geschaffen.
Creative Commons Lizenzen bieten eine neue Möglichkeit Bilder, Musik und Videos zu
verbreiten. Die FDP Bayern begrüßt diese neue Entwicklung. Liberale setzen auf die
Kreativität der Menschen. Kreativität als Leistung ist aber anreizlos, wenn Einfälle nicht
geschützt und so wirtschaftlich nutzbar gemacht werden können.
Auch im Bereich staatlich finanzierter Inhalte müssen neue Möglichkeiten der
Zugänglichmachung geprüft werden. Dabei setzt die FDP Bayern auf die beteiligten
Akteure. So kann z.B. eine „open access“-Veröffentlichung zur Bedingung staatlicher
Förderung gemacht werden. Starre gesetzliche Regelungen sind hier aber kontraproduktiv
und werden den praktischen Bedürfnissen nicht gerecht. Auch der öffentlich-rechtliche
Rundfunk sollte prüfen, inwieweit seine Produktionen im Rahmen der Lizenzen
verwendeter externer Bestandteile unter einer möglichst freien Lizenz veröffentlicht
werden können.