Köhler: Das effektivste Instrument für Klimaschutz ist der Zertifikatehandel

In einem gemeinsamen Gastbeitrag für „Die Welt“ gehen Vizefraktionschef Lukas Köhler und der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Johannes Vogel auf die Vorteile des EU-Emissionshandels ein. Für die beiden FDP-Politiker ist klar: Nur mit einem marktwirtschaftlichen und sektorübergreifenden Zugang können die Klimaziele garantiert erreicht werden. Teure Einzelmaßnahmen hingegen verfehlen ihre Wirkung.

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Der Generalsekretär der FDP Bayern und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag Lukas Köhler.

Der Gastbeitrag im Wortlaut:

Klimaschutz ist eine Menschheitsaufgabe. Wie dringlich diese Aufgabe ist, hat der jüngste IPCC-Bericht gerade noch einmal unterstrichen. In der demokratischen Mitte besteht daran auch kein Zweifel. Wir müssen weniger CO2 ausstoßen. Umso umstrittener ist aber der Lösungsweg: Gehen wir alle entschlossen und mutig drauflos in Richtung Pariser Klimaziele – oder diskutieren wir darüber, ob nicht zuerst für alle dasselbe Schuhwerk, dieselben Schnürsenkel, ja die komplette Wanderausrüstung in allen Einzelheiten vorgeschrieben werden muss. Letzteres ist ein planwirtschaftlicher Ansatz.

Eben ein Ansatz mit einer Unzahl an Vorgaben für alle möglichen Lebens- und Wirtschaftsbereiche. Ein Ansatz, der die Akzeptanz der Menschen überstrapaziert, weil es nur um immer neue Einzelmaßnahmen geht und nicht mehr um die Zielerreichung an sich. Ein Ansatz, der oft im Subventions-Nirwana endet, weil die Akzeptanz für teure Einzelmaßnahmen immer neu erkauft werden muss. Letztlich ein Ansatz, der die politischen Steuerungskompetenzen maßlos überschätzt und der Aufgabe einfach nicht gerecht werden kann.

Das zeigt die ernüchternde Bilanz. Obwohl für Autos oder Gebäude schon eine Vielzahl detaillierter Vorgaben gelten, halten weder der Verkehrs- noch der Immobiliensektor ihre Klimaziele ein. Kein Wunder, wenn die Politik bisher nur mit Verboten und Subventionen arbeitete. Ganz so, wie jemand, der im Dunklen seinen Schlüssel verliert, aber nur im Licht der Straßenlaterne nach ihm suchen will. So werden nie alle und auch nicht die effektivsten Möglichkeiten der CO2-Vermeidung ausgeschöpft. Im Ergebnis erreichen wir nur weniger Klimaschutz für einen höheren Preis.

Viel besser wäre es, vor allem das Ziel im Auge zu behalten und die Wege dahin offenzuhalten. Ganz so, wie es beim Europäischen Emissionshandel der Fall ist – und wie wir Freie Demokraten es schon lange fordern. Emissions- oder Zertifikatehandel sind komplexe Begriffe, im Kern aber ein ganz einfaches Konzept. Es besteht aus zwei einfachen Elementen. Zum einen wird ein klares Ziel gesetzt und ein dichter Deckel für CO2-Emissionen auf das Verbrennen von fossilen Rohstoffen eingeführt. Zum anderen wird es dann den Menschen und dem Markt überlassen, wie dieses Ziel erreicht wird.

Konkret funktioniert das so: Es wird eine begrenzte Zahl von Zertifikaten für CO2-Emissionen festgelegt, man könnte auch sagen, es gibt nur soundsoviele Gutscheine für CO2-Ausstoß. Mitte des Jahrhunderts liegt diese Zahl dann bei null, ganz so wie es der Pariser Klimavertrag vorschreibt. Bis dahin sinkt sie Jahr für Jahr. Nur mit diesen Gutscheinen darf CO2 ausgestoßen werden. Und diese Gutscheine kann man kaufen und verkaufen, man kann also mit ihnen handeln. Das müssen die einzelnen Bürgerinnen und Bürger nicht selbst tun, sondern dies übernehmen die Stromunternehmen, Industrieunternehmen, Raffinerien und andere, die den Bürgerinnen und Bürgern Produkte anbieten, bei denen es heute zu fossilen Emissionen kommt.

Weil mit der Zeit die verfügbaren Gutscheine immer weniger werden, steigt absehbar ihr Preis. Es wird also immer günstiger und attraktiver, weniger CO2 auszustoßen. In einem solchen System überlegt jeder, ob es nicht günstiger ist, die Kosten für den CO2-Preis durch den Umstieg auf klimafreundliche Technologien einzusparen. Es lohnt sich schrittweise für immer mehr Menschen und Unternehmen, ihren CO2-Ausstoß immer stärker zu reduzieren.

Weil es ein abstrakter Begriff ist, weil anschauliche Verbote fehlen und, weil es keine ausgetüftelte Detailsteuerung gibt, fällt es vielen schwer, intuitiv auf den Zertifikatehandel zu vertrauen. Das brillant einfache Konzept funktioniert aber absolut sicher. Nicht nur in der Theorie, wie Wissenschaftler schon lange betonen, sondern auch in der Praxis: Seit fast zwanzig Jahren gibt es das nämlich schon in der ganzen EU für die Energiewirtschaft und energieintensive Industrien. Und was passiert? Immer weniger CO2-Ausstoß.

Der Beweis ist erbracht: Wir können uns beim Klimaschutz auf den Marktmechanismus verlassen. Die Anreize zur CO2-Vermeidung waren sogar so hoch, dass die Unternehmen das vorgegebene Ziel trotz eines über lange Zeit niedrigen CO2-Preises nicht nur erreicht, sondern weit übertroffen haben.

Weil Klimaschutz eine Menschheitsaufgabe ist, sollten wir auch auf den besten Lösungsweg vertrauen, den die Menschheit bisher entwickelt hat. Das ist der Zertifikatehandel, und dessen Erfolgsgeschichte sollte so bald wie möglich auf alle Wirtschaftsbereiche ausgedehnt werden. Viele erinnern sich noch an das durch den FCKW-Ausstoß verursachte Ozonloch.

Auch damals hat man nicht politisch über das beste Kühlmittel für Kühlschränke diskutiert und entschieden. Und natürlich wurden auch keine Kühlschränke verboten, sondern die Verwendung von FCKW zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft. Den besten technischen Weg dahin haben dann die Unternehmen und Kunden gefunden. Das ist ein anschauliches Beispiel im Kleinen dafür, was der Zertifikatehandel im Großen leisten kann.

Die Ampel-Koalition hat sich nun auf eine Weiterentwicklung des Bundes-Klimaschutzgesetzes geeinigt. Die jährlichen Sektorziele wollen wir durch eine mehrjährige und übergreifende Gesamtrechnung ersetzen. Wie der Übergang von der nationalen CO2-Steuer hin zum europäischen Zertifikatehandel gelingen soll – der für die Bereiche Verkehr und Gebäude erst ab 2027 gilt – dafür will die Bundesregierung einen Vorschlag machen.

Hierfür haben wir eine Idee: Wir sollten einen echten Zertifikatehandel in den Wirtschaftsbereichen Verkehr, Gebäude und Gewerbe so schnell wie möglich, also ab dem 1. Januar 2024, einführen. Nur so können wir jährlich eine maximal zulässige Obergrenze in allen Bereichen festlegen, nur so schaffen wir einen wirklich dichten Deckel für CO2. Während das Klimaschutzgesetz in seiner jetzigen Form zwar sehr viele Ziele formuliert, könnte der konsequente Zertifikatehandel dafür sorgen, dass wir unsere Klimaziele garantiert erreichen.

Denn nur ein frei am Markt aus Angebot und Nachfrage gebildeter CO2-Preis taugt zum Antrieb für einen effizienten Klimaschutz. Überforderungen für Wirtschaft und Privathaushalte können dabei ebenfalls vermieden werden – ganz ohne steigende Gesamtemissionen. Das wäre sinnvoll, weil der kurzfristig erzwungene Umstieg auf klimaschonende Technologien vor allem für viele private Verbraucherinnen und Verbraucher nicht möglich ist, während gegen Ende des Jahrzehnts spürbare Effekte durch mehr Elektroautos und Wärmepumpen sowie eine größere Verfügbarkeit von klimafreundlichen Kraftstoffen und Wasserstoff eintreten werden.

Mit den Einnahmen aus dem Zertifikatehandel kann auch das im Koalitionsvertrag vereinbarte Klimageld finanziert werden, bei dem allen Menschen eine feste Summe pro Jahr ausgezahlt wird und von dem Menschen mit geringem Einkommen überproportional profitieren würden. Klar bleibt dabei: Am Gesamtziel ändert das nichts. Gerade, weil Klimaschutz eine Menschheitsaufgabe ist, müssen wir dabei alle Menschen mitnehmen. Wir vertrauen den Menschen und der Kraft der Marktwirtschaft, und deshalb gilt: Zertifikatehandel for the win!

Hier finden Sie den Gastbeitrag in der „Welt“.